Commentary

Vergessen an Archem
(Hier) – I never walked the likely Finglas Ratabhachta
(1986)
8 Variationen für verschiedene Ensembles, Jazzband, Tonband und Live-Elektronik
001 Barsax, Trp, Pos, Vla, Vcl, 4-Kanal Tonband, 17’
002 "Opened Fellows Are Fledged"
Bkl, Pos, 2 Schlzg, 2 Vln, Electr., 15’
003 "Miettes lièvrales (du matin)"
Ensemble: Altsax, Trp, Vcl, 2 Schlzg / Jazzband: Altsax, Tenorsax, Trp, E-Gitarre, Kb, Schlzg, 13’
004 "Variatio delectat"
Graphische Partitur für fünf Duette, 35’
005 Tenorsax, E-Gitarre, Schlzg, Vln, Vcl, Kb, Electr., 6’
007 Barsax, 2 Vln, Vla, und 2 beliebige Melodieinstrumente, 3’30
008 4-Kanal Tonband solo, 14’30

005

"005" gehört zu dem 1986 entstandenen Variationszyklus "Vergessen an Archem (Hier) – I never walked the likely Finglas Ratabhachta", der den Begriff "Variation" nicht als motivische oder sonst an den Musiktext gebundene Arbeit versteht, sondern von einer durch die Verwendung eines Ausschnittes aus dem Stadtplan von Dublin1 erstellten grundlegenden Ereignis- und Nichtereignisstruktur ausgehend diese Struktur in jeder der Variationen mit immer anderer Zeit- und Klangausdeutung äußerst unterschiedlich durchführt.
In konzentrierter Gleichzeitigkeit unhierarchischer Intensitäten entsteht in diesen Stücken eine musikalische Haltung, die Erwartungslosigkeit in energetischer Ruhe ermöglicht.
Das kommt in "005" schon durch die Aufteilung der Instrumentalisten zum Ausdruck: 2 ½ Soli (Drumset / Violine + Rückkopplung2) und 2 Duos (Cello & Kontrabaß / Tenorsaxophon & E-Gitarre), die voneinander unabhängig in der ihnen jeweils zugeordneten Zeitschicht agieren. Die temporale Mehrschichtigkeit verlangt in der Ausführung allerdings exakteste Koordination, um den entstehenden musikalischen Verlauf in seiner Gesamtheit als Haltung deutlich werden zu lassen.
Bei einer einzelnen Aufführung einer dieser Variationen entfällt selbstverständlich der in der gesamten Ausdehnung des Zyklus‘ (ca. 2 Stunden) sich einstellende Prozeß der allmählichen Wahrnehmungsveränderung, und der im Gesamtverlauf unausgerichtete Moment wird zum Einzelobjekt, das der Hörer in einem vielfältigen Programm wie diesem auch kaum anders erleben wird. Dies tut der Sache in ihrer pluralistischen Grundauffassung keinesfalls Abbruch – denn die Musik existiert im und durch den Moment ihrer Wahrnehmung und lebt nicht durch den ihr zugeteilten "Zusammenhang", sondern in der Situation des Wahrnehmens an sich, die äußerste Intensität erreichen kann, wenn der Hörer als lebendiger sich darauf einzulassen in der Lage ist.

Der "Ratabhachta"-Zyklus entstand als Sammlung von rein instrumentalen Vorstudien zu der 1990 fertiggestellten Komposition "mirlitonnades – mit einigen Gedichten von Samuel Beckett".

1 "Ratabhachta" heißt eine kleine Gasse im Dubliner Stadtteil Finglas.
2 als Einzelverlauf, allerdings auf die Klangerzeugung der Violine bezogen

Mai 1992, zu einer geplanten Aufführung von "005" im Rahmen des
Tonkünstlerfestes Baden-Württemberg, die dann aber abgesagt wurde

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